„Der letzte macht das Licht aus!?“

28.04.2022 | Pressemitteilung

Fachtag zur Hofübergabe in Niederalteich über emotionale Hürden und rechtliche Bedenken.

„Die Übergabe eines Hofes an jemanden, der nicht aus der Familie kommt, ist ein Thema, das leider noch viel zu wenig im Fokus ist und bei dem es leider noch viele, meist unbegründete, Vorbehalte gibt“, erklärte Annette Plank, stellvertretende Leiterin der  Landvolkshochschule, am 28. April in Niederalteich bei einem Fachtag mit dem  provokanten Titel: „Der letzte macht das Licht aus!?“.

Um für dieses wichtige Thema mehr Öffentlichkeit zu schaffen, begrüßte die Landvolkshochschule Niederalteich in Kooperation mit dem Landesbildungswerk der KLB in Bayern e.V. und der Landwirtschaftlichen Familienberatung der Kirchen in Bayern über 30 Teilnehmer*innen, unter ihnen Fachleute aus der landwirtschaftlichen  Familienberatung, aber auch interessierte potenzielle Übernehmer*innen und Übergeber*innen.

„Große emotionale Hürden – und rechtliche Bedenken“

Isidor Schelle, Rechtsreferent und Mediator beim Bayerischen Bauernverband, und Maria Janker, Steuerberaterin bei einer Straubinger Wirtschaftskanzlei, boten am Vormittag einen Einblick in die aktuelle Lage in Bayern und arbeiteten soziale und steuerliche Knackpunkte heraus. Auch wenn immer noch ein Großteil der Hofübergaben innerfamiliär stattfinden – der Anteil der Höfe, bei denen die Nachfolge ungeregelt ist und wo sich abzeichnet, dass es keinen familiären Nachfolger geben wird, nimmt stetig zu. Oft gibt es große emotionale Hürden sowie steuer- und erbrechtliche Bedenken, sich mit dem Gedanken einer außerfamiliären Hofnachfolge anzufreunden.

„Der eigene Sarg hat keine Anhängerkupplung – man kann nichts mitnehmen“

Beide Referate des Vormittages versuchten deutlich zu machen, dass man für viele
Hofübergaben eine gute Lösung finden kann und es immer mehrere Möglichkeiten
gibt. Am Ende gehe es um persönliches Wachstum. „Sicherlich muss man in so einem Prozess die Komfortzone verlassen“, so Schelle, „aber der eigene Sarg hat keine Anhängekupplung – man kann nichts mitnehmen. Warten Sie nicht auf den ‚Hoffnungsträger‘, fokussieren Sies sich auf ihre Ziele und Visionen. Erst dann kann man, wie bei einem Navigationsgerät, das auch erst ein Ziel braucht, nach dem besten Weg dorthin suchen.“, erklärte Isidor Schelle.

„Wichtig ist, zu unterscheiden, was Familie, was Eigentum und was Betrieb ist.“

Dem stimmte auch Maria Janker zu: „Es hilft nichts, mit der Grundeinstellung ‚ich
möchte keine Steuern zahlen‘ in so einen Prozess zu gehen. Überlegen Sie sich, was
Sie wollen, wenn es kein Steuerrecht gäbe.“ Dann können wir mit einer Beratung
den – auch steuerlich – optimalen Weg suchen, um das gewünschte Ziel zu erreichen“. „Wichtig ist, sich rechtzeitig auf den Weg zu machen“, so Janker. Fast nichts sei unmöglich, wenn genügend Zeit – über 5 Jahre – sei. Damit unterstrich sie auch einen Rat von Isidor Schelle, der in Beratungsprozessen die Hofeigentümer häufig auffordert, zu überlegen, was sie heute (innerhalb von 24 Stunden) noch bezüglich ihres Anwesens entscheiden würden. „Einen solchen Notfallplan sollte man unbedingt in der Tasche haben. Er hilft auch dabei, sich klar zu werden, was einem wirklich wichtig ist“, so Schelle. „Wichtig ist, zu unterscheiden, was Familie, was Eigentum und was Betrieb ist. Viele Konflikte entstehen nur deshalb, weil zwischen diesen Ebenen nicht klar getrennt wird, und sich Uneinigkeiten in einem Bereich auf die anderen Bereiche auswirken.“

„Eine Hofstätte ist mehr als nur ein Betrieb“ (Helga Grömer)

Den Start in den Nachmittag bildeten dann Erfahrungsberichte aus der
Landwirtschaftlichen Familienberatung der Kirchen in Bayern. Pfarrer Walter
Engeler von der Familienberatung der Evangelischen Kirche in Bayern und Helga
Grömer von der Landwirtschaftlichen Familienberatung im Bistum Passau hoben
hervor, wie wichtig es ist, sich bewusst zu machen, dass die Hofstätte mehr ist als
nur ein „Betrieb“. „Besser trifft es vielleicht der Begriff ‚Anwesen‘“, so Grömer.
„Deshalb muss man sich in so einem Prozess mit dem Gegenüber auseinandersetzen. Was will er und was möchte ich? Kommen wir da zusammen? Auch das Loslassen-Können ist dabei ein wichtiger Punkt, damit jemand Neues auch neu anfangen kann.“ Pfarrer Engeler ergänzt: „Es gilt, sich Zeit zu nehmen, und für sich die Frage zu klären, welcher Weg zu einem passt. Lassen Sie sich dabei begleiten und fangen sie möglichst früh an, sich mit anderen dazu auszutauschen! Entwicklung entsteht aus Erfahrung UND Kommunikation!“. Hinderlich, so Grömer und Engeler, sind häufig traditionelle Leitgedanken und ein – oft nur vermeintlicher – sozialer Druck, dass Höfe auf Dauer im Familienbesitz bleiben müssten. Als Rat hatte Grömer dann noch einen Spruch, den sie in Österreich kennengelernt hat: „Es is‘ ned, wia’s kimmt. Es is‘, wia ma’s nimmt!“.

Live-Erfahrungen einer gelungenen außerfamiliären Hofübergabe

Anschließend wurden Petra Sollmann, junge Hofübernehmerin und Leonhad  Merkenschlager, Übergeber des Schluckerhofes im Altmühltal per Video-Konferenz
zugeschaltet, um aus den Erfahrungen einer gelungenen außerfamiliären Hofübergabe zu berichten. Sie hatten dabei ganz pragmatische, aber deshalb nicht weniger wichtige Ratschläge parat: Die ersten Treffen sollten nicht auf dem Hof stattfinden. Und der Übergeber sollte eine gute Aufstellung der Lage des Betriebes haben, damit die potenzielle Nachfolge sich ein Bild von der wirtschaftlichen Situation des Hofes machen kann. Umgekehrt muss der Übernehmer auch für sich klären, wie er den Betrieb führen will und was er – nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht – dafür einbringen kann. „Ohne Eigenkapital geht es nicht“, so Petra Sollmann. „Entscheidend für das gute Gelingen bei uns war auch, dass zeitnah gute und einvernehmliche Lösungen mit den weichenden Erben gefunden werden konnten. Das ist sonst eine fortwährende Hypothek für so einen Betrieb“.

„Menschen mit Lust auf Landwirtschaft können Betriebe weiterführen“

Den Abschluss der Tagung bildete dann eine offene Diskussionsrunde der Referent*innen des Tages mit der Methode „Fishbowl“: Neben den von den Referentinnen und Referenten besetzten Stühlen gab es einen freien Stuhl. Martin Wagner von der KLB Bayern, der den Tag moderierte, gab zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Gelegenheit, sich für ein Statement oder eine Frage an die Fachleute auf diesen Stuhl zu setzen. Dabei wurde deutlich, dass es bei der außerfamiliären Hofübergabe zwar durchaus Probleme im Bereich des Steuer- und Erbrechts gibt, dass aber häufig die nicht angesprochenen und bearbeiteten eigenen Zielvorstellungen und eine mangelnde Auseinandersetzung mit den Vorstellungen in der Familie die größten Hindernisse sind, um zu einer guten Lösung für alle Beteiligten zu kommen. „Dabei wäre es angesichts der
zunehmenden Konzentration der Betriebe so wichtig, dass gerade die kleinen Betriebe von Menschen weitergeführt werden, die Lust auf Landwirtschaft haben und über die entsprechende Ausbildung verfügen“, so eine Teilnehmerin. Isidor Schelle betonte, dass leider gerade im Hinblick auf die Betriebe im Nebenerwerb die Wirklichkeit der staatlichen Regelungen nicht zur von allen Seiten politisch verkündeten Aussage passe, dass man jeden bäuerlichen Betrieb erhalten wolle. „Dabei geht mit jedem Hof, der aufgegeben wird, ein Stück Kultur verloren“, so Schelle.

„Wir wollen und wir werden die Landvolkshochschule als Ort der Bildung nutzen, um dieses Thema weiter und stärker in den Mittelpunkt zu rücken“, nahm Annette Plank am Ende als Fazit aus der Veranstaltung mit. Isidor Schelle, der bereits vor über zwanzig Jahren einen ersten Betrieb bei einer außerfamiliären Übergabe begleitet hat, wünscht sich Beratungsgutscheine für die Landwirte. „Es wäre so wichtig, dass es hier mehr externe Begleitung gibt“. Helga Grömer glaubt, dass die Familienberatung die besten Voraussetzungen dafür bietet, Betriebsinhaber so zu begleiten, dass sie die Lösung finden, die zu ihnen passt, „ganz im Sinne von: ‚Es is, wia ma’s nimmt!‘“ Dem konnte auch Walter Engeler für die evangelische Seite der Familienberatung zustimmen, der sich auch über den wertvollen und guten Austausch im Laufe des ganzen Tages freute.

Martin Wagner, Landesgeschäftsführer der KLB Bayern, dankte allen Referent*innen des Tages für ihre wertvollen Beiträge und den Teilnehmenden für ihr Kommen und versprach, dass die KLB Bayern an dem Thema dran bleiben wird. „Wir werden überlegen, ob wir dieses Seminar gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern an anderen Orten in Bayern wiederholen, und wir werden die heute herausgearbeiteten Knackpunkte mit in unsere politische Arbeit auf Landesebene nehmen.“